Flagge der Bahamas

Flagge der Bahamas

Donnerstag, 10. Februar 2022

Bei Sonnenaufgang sind es nur noch ein paar Meilen bis zur Einfahrt. Ich habe es weiterhin nicht eilig, denn wenn sich die flach stehende Sonne auf der Wasseroberfläche spiegelt, ist die Wasserfarbe nur schlecht zu erkennen. Denn hier gilt: "ENA" = Eye Ball Navigation Area. Eine Yacht liegt in der Lagune bereits vor Anker, eine zweite mit einem Paar an Bord nimmt vor mir die Einfahrt. Wir Neuankömmlinge haben zuerst reichlich Wassertiefe, die aber nach Osten hin abnimmt. Die anderen ankern früher, ich taste mich weiter vor, damit der Weg zum Anleger für das Dinghi nicht so weit ist. Auf knapp drei Meter Wassertiefe nahe dem Ankersymbol in der Seekarte grabe ich mein Grundeisen ein.

Die Aussagen auf noonsite.com und anderen Internetseiten widersprechen sich hinsichtlich der östlichen Einklarierungshäfen der Bahamas. In der Liste der Ports of Entry ist Mayaguana mal aufgeführt und mal nicht. Der nächste Port of Entry ist dann allerdings erst auf Long Island in Clarence Town, was schlappe drei Tagesreisen weiter westlich liegt. Ich will es auf Mayaguana versuchen, mal sehen, was passiert.

Ich wassere das Dinghi, montiere den Stromer-Außenborder, und los geht's Richtung Anleger. Auf direktem Weg, ist ja schon zu sehen. In der Seekarte gibt es dort noch mehrere Ankerzeichen, allerdings nur mit einem Meter Wassertiefe. Ein iPad mit Seekarte habe ich mangels zuverlässig wasserdichter Hülle nicht mitgenommen. Prompt gerate ich in ein Flach, sodass der Motor auf Grund stößt. Und jetzt? Wer sein Boot liebt, der schiebt. Also Motor hochklappen, aussteigen und zu Fuß weiter durch den Matsch mit dem Dinghi im Schlepptau. Ich mache mir Sorgen, dass ich mir, barfuß wie ich bin, die Füße an irgendwelchen Muscheln aufschneide. Aber glücklicherweise komme ich ohne Verletzungen weiter. Kurz bevor ich die etwas baufällige Mole erreiche, wird das Wasser auf etwa zwei Metern vor der Kaimauer wieder tief genug, um mit dem Motor weiter zu fahren. Ich biege um die Ecke in das kleine Becken mit ein paar wenig Vertrauen erweckenden Motorbooten. Dort gibt es eine Slipanlage, also eine Rampe ins Wasser. Dort ziehe ich mein Schlauchboot auf den Strand und schließe es an einem Pfahl an.

Das erste, was ich dann zu sehen bekomme, ist ein handgemaltes Schild: Mayaguana ist NICHT Einklarierungshafen! Sinngemäß: Geht hier nicht, versucht es woanders. Nun ja, da haben wir den Salat. Eigentlich darf ich nach Recht und Gesetz jetzt gar nicht an Land. Schietegal, jetzt bin ich hier. Vielleicht kann ich ja hier wenigstens eine SIM-Karte für den Internetzugang bekommen.

Das nächste, was ich sehe, ist ein Auto, das schon bessere Zeiten erlebt hat. Es sitzt auch jemand drin. Den will ich doch mal nach dem Weg fragen. Im Näherkommen versuche ich, den Beifahrersitz unter der darauf liegenden Müllhalde zu erkennen, was mir nicht gelingt. Ich beuge mich vor und blicke einem etwas schmuddeligen Mann ins Gesicht, dessen Hemd mit Spuren von allen möglichen Nahrungsmitteln und Körperflüssigkeiten befleckt ist. Aber immerhin, er lebt! Im Fernseh-Krimi findet man so nur eine Leiche. Die hier ist keine und gibt freundlich Auskunft: Dort immer der Straße entlang! "Dankeschön!"

Bunt bemaltes Toilettenhäuschen am Hafen

Sehr kreativ bemaltes Toilettenhäuschen am "Hafen". Rechts die Straße vom Hafen zur Ortschaft, dahinter die Wasserfläche der Lagune

Ich mache mich auf den Fußweg in die Zivilisation. Am Straßenrand finde ich gleich Anzeichen derselben: Ein Toilettenhäuschen, das sehr kreativ bemalt bzw. grafisch gestaltet ist - wirklich ein Schmuckstück. Hier gibt es wohl mindestens eine künstlerisch begnadete Person. Schon das Schild mit dem Hinweis auf "no Port of Entry" ist recht liebevoll von Hand gemalt.

Als ich nach mehreren hundert Metern auf die ersten Häuser treffe, jubele ich innerlich: Das erste Haus überhaupt ist eine Verkaufsstelle für eines der beiden konkurrierenden Handynetze! Nix wie rein da! Dieser Shop gehört zum alteingesessenen Netz. Das andere wurde erst vor wenigen Jahren zugelassen, damit Konkurrenz das Geschäft belebt, und bedient nur weniger als ein Viertel des Marktes.

Der Laden befindet sich in einem Einfamilienhaus. Es gibt einen Verkaufsraum mit kleiner Handy-Ausstellung und einem Tresen, hinter dem eine mittelalte Dame mit üppigen Körpermaßen tront. Vor mir ist ein anderer Kunde dran, ich habe daher Zeit, mich umzusehen. Dann bin ich an der Reihe. Ich hatte mir schon in Providenciales im Internet die Tarife angesehen und einen reinen Datentarif mit reichlich Datenvolumen und einem Preis von etwas über 30 Dollar ausgeguckt. Falls ich nach Hause telefonieren will, kann ich das auch per Whatsapp über das Datenvolumen tun.

Meine anfängliche Skepsis bezüglich der Kompetenz der Matrone hinter dem Tresen beschämt mich, erweist sich nämlich als völlig unbegründet. Dem vorigen Kunden hat sie sein Handy souverän betriebsfertig eingerichtet. Mich bittet sie, ihr mein Handy zu reichen. Sie steckt mit sicheren Handgriffen die neue SIM-Karte ein, wischt und tippt irgendwelche PINs und Menüeinträge. Dann testet sie ihr Werk, stutzt und telefoniert mit der Hotline. Das heißt, sie möchte telefonieren, aber - wie bei uns - landet sie erstmal in der Warteschleife. Als sie schließlich eine Beraterin "an der Strippe" hat, diskutiert sie mit dem Gegenüber kontrovers und ein wenig empört. Sie beendet das Gespräch, tippt und wischt wieder auf meinem Handy rum, allerdings ohne befriedigten Gesichtsausdruck. Erneut telefoniert sie mit der Hotline, diesmal deutlich ungehaltener. 

Schließlich erklärt sie mir ihren Unmut. Wunschgemäß hat sie für mich den Datentarif eingemeldet. Erstaunlicherweise hat das System aber einen anderen, einen Standardtarif mit Telefonieanteil und geringerem Datenvolumen eingerichtet. Sie berichtet, dass ihr diese Systemfehlleistung vor ein paar Tagen schon einmal bei einem anderen Kunden passiert ist. Bei diesem Tarif würde der Kunde, also jetzt ich, um ein paar Dollar betrogen. Ich verstehe nicht wirklich, wie, wo und warum, das "warum" sie auch nicht. Allerdings gibt es ad hoc keine Möglichkeit mehr den Tarif zu wechseln, und das, so sagt sie, sei der eigentliche Skandal. Ich solle erstmal andere Dinge erledigen und danach wiederkommen. Hoffentlich werde sie bis dahin den Fehler ausgeräumt haben.

Wie dem auch sei, das Handy funktioniert im Netz, und verglichen mit der Befahrens-Gebühr für die Gewässer ist der "Betrug" beim Handytarif eine Lappalie. Während ich meine Sachen zusammen packe, betritt eine jüngere Frau den Laden und wechselt mit der Tresen-Queen ein paar freundliche Worte. Weil ich vorher schon nach der Einklarierungsstelle gefragt habe, bietet mir die Jüngere an, mich im Auto mitzunehmen, denn sie fährt sowieso dorthin. Ich nehme dankbar an und steige ein.

Ihr Auto ist mit Werbeschriften des anderen Handynetzes beklebt. Während der Fahrt frage ich nach. Ja, sie sei von der Konkurrenz, aber das sehen sie hier nicht so eng, sondern helfen sich gegenseitig. In so einem abgelegenen Teil der Welt sei das schlicht sinnvoll und kollegial. Respekt!

Nach einer Abzweigung kommen wir zu einem Gelände mit einem Wachhäuschen an der Einfahrt. Meine Chauffeurin deutet auf eine Tür im Verwaltungsgebäude dahinter, dort werde mir geholfen. Beim Betreten verstehe ich, dass es sich bei dem barrackenartigen Gebäude um eine Art Rathaus handelt. Es gibt Schwarze Bretter und Info-Tafeln über alles mögliche und auch einen Schalter, der aber geschlossen ist. Aus der Tür daneben tritt mir eine mittelalte, schlanke Frau entgegen. Sie bedeutet mir zuerst, dass meine Corona-Maske nicht richtig sitzt. Dann bedauert sie ein wenig streng: Die Eigenschaft als Port of Entry wurde dieser Verwaltung vor kurzer Zeit entzogen, weil die Infrastruktur nicht gegeben ist. Sprich, wohl nicht geeignete Computer oder personelle Ausstattung. Die nächste Möglichkeit zum Einklarieren ist erst Clarence Town auf der Insel Long Island (nein, nicht in New York, hier gibt es auch ein Long Island).

Faktisch bedeutet das, dass ich eigentlich gar nicht an Land darf, bevor ich einklariert habe. Aber bis Clarence Town sind es drei Tagesetappen! Puh! Und jetzt? Naja, wo kein Kläger, da kein Richter. Außerdem bin ich mit Lebensmitteln hinlänglich versorgt. Einzukaufen gibt es zwischen hier und Clarence Town wohl sowieso nichts. Also füge ich mich in mein Schicksal und ziehe unverrichteter Dinge von dannen, diesmal zu Fuß den gleichen Weg zurück.

Buntes Haus am Spielplatz

Buntes Häuschen am Spielplatz und Dorfgemeinschaftsplatz

Jetzt habe ich etwas mehr Muße, die Umgebung zu betrachten. Die Landschaft ist flach wie ein Teller. Ich komme an einer kleinen Kirche vorbei, gegenüber befindet sich so etwas wie ein Dorfgemeinschaftsplatz mit Pavillons und Schaukelgestellen. Alles sehr hübsch und liebevoll gepflegt, und ähnlich wie am Hafen ein sehr kreativ bemaltes Häuschen. Chapeau für den Künstler!

Die Dame vom Handy-Netz hatte gesagt, sie werde Mittagspause haben, wenn ich zurück komme. Ich solle mich einfach an der rückwärtigen Haustür bemerkbar machen. Das tue ich, sie öffnet und erklärt mir, dass ihre Versuche, meinen Tarif umzumelden, gescheitert sind. Sie ist ziemlich sauer auf ihren Netzbetreiber, kann aber in der Kürze der Zeit nichts machen. Während wir so palavern, gesellt sich auch die schlankere Dame aus dem "Rathaus" zu uns, ist wohl eine Nachbarin. Ich klöne mit ihr jetzt weit weniger amtlich. Auf meine Erzählung über meine Reise berichtet sie von ihrer Tochter, auf die sie sehr stolz ist. Die habe eine Ausbildung zur Anfertigung von Prothesen für körperlich Behinderte gemacht und sei in diesem Bereich sehr erfolgreich. Aha! Aber Landflucht der Jugend gibt es also offenbar auch hier.

Ich wandere zurück zum Hafen. Das Auto mit dem Bekleckerten ist weg. Der hatte mir vorhin gesagt, dass es eine kleine Fahrrinne zur Lagune gibt, die mit ein paar Stöcken gekennzeichnet ist. Ich ziehe das Dinghi ins Wasser, schnurre an der Kaimauer entlang und suche die Einfahrt in besagte Rinne. Entweder bin ich zu dämlich, oder die Kennzeichnung durch Stöcke mit CDs dran ist recht missverständlich. Jedenfalls muss ich wieder den Motor hochklappen und zu Fuß das Schlauchboot ziehen, weil es hier hoffnungslos zu flach ist. Nach etwa 200 Metern habe ich das Flach hinter mir und kann einsteigen. Als ich zurück an Bord bin, ist es bereits fortgeschrittener Nachmittag. Jetzt noch weiterzusegeln, macht wenig Sinn. Ich bereite daher schon die Abreise morgen früh vor und verzurre das Schlauchboot an Deck. Schließich brutzele ich eine Mahlzeit und lasse den Tag früh ausklingen. Schließlich liegen eine Nachtfahrt und ein langer, ereignisreicher Tag hinter mir.

Freitag, 11. Februar 2022

Früh gehe ich ankerauf, denn die Strecke bis zur nächsten Insel, Acklins Island, und zur dortigen Ankerbucht beträgt in Luftlinie etwas über 50 Seemeilen. Das bedeutet bei einer realistischen Reisegeschwindigkeit von fünf Knoten etwa zehn Stunden Fahrtdauer. Damit ich nicht bei Dunkelheit ankomme, muss ich also früh los. Ich fummele mich motorend auf derselben Route, wie ich reingekommen bin, wieder aus der Lagune heraus. Dabei hilft wieder die Track-Aufzeichnung vom gestrigen Morgen. Jenseits des Riffgatts von Abraham's Bay rolle ich vor Low Point die Segel aus und gehe auf Kurs Nordwest. Der Passat weht wie üblich mit mittlerer Stärke aus Ostnordost. Die Dünung ist schwach, die Fahrt gestaltet sich ausgesprochen lässig. Die Hydrovane steuert zuverlässig, die Sonne scheint warm, es ist ein Bilderbuch-Segeln, wie man es sich kaum besser wünschen kann. Zwischendurch lege ich mich immer mal wieder im Cockpit aufs Ohr, nur für ein Viertelstündchen versteht sich. Ich passiere die Plana Cays, ohne dass mir ein Boot oder Schiff begegnet. Ich bin hier offenbar ziemlich allein auf weiter Flur. Doch halt, zwischen den beiden Inseln der Plana Cays entdecke ich eine Motoryacht mit hohem Ausguckgestell, wie sie Hochseeangler nutzen, um die großen Brocken wie Marlins besser ausfindig zu machen. Die steht mal an einer Stelle, dann wechselt sie die Position, wohl auf der Suche nach "dem" dicken Fisch.

Als ich den North East Point von Acklins Island runde, nähert sich die Sonne bereits dem Horizont. Ich suche und finde die Einfahrt in den Attwood Harbour neben der Insel Lady Slipper Cay. Woher die Insel ihren Namen hat, entzieht sich meiner Erkenntnis. Links der Einfahrt steht der Umbrella Rock, der aussieht, wie er heißt. Man könnte ihn auch als Pilz bezeichnen, aber Regenschirm passt. Nach Durchfahrt durch die schmale Rifföffnung erkenne ich, dass schon drei Yachten drin liegen. Unter Berücksichtigung des Kreises zum Schwojen um den Anker bleibt mir nur eine Stelle mit größerer Wassertiefe und etwas dicht an den Korallen, aber der Platz ist okay. Im letzten Licht der Dämmerung bin ich fertig mit dem Ankermanöver. Essen, over and out für heute.

Mayaguana nach Crooked Island

Unsere Route von Mayaguana nach Crooked Island

Leuchtturm Bird Rock

Leuchtturm Bird Rock auf einer winzigen Insel neben dem großen Riff vor dem Nordwestkap von Crooked Island. Der Leuchtturm ist nicht mehr in Betrieb, das Leuchtturmwärterhaus daneben eine Ruine.

Samstag, 12. Februar 2022

Mit der nächsten Etappe will ich die Nordwestecke des zum selben Atoll gehörenden Crooked Island erreichen. Für die 27 Seemeilen bis zum Kap brauche ich zwar nicht den ganzen Tag, aber der anvisierte Ankerplatz liegt vom Kap noch ein paar Meilen südlicher. Außerdem macht der Platz mit dem Ankersymbol in der Seekarte einen wenig geschützten Eindruck. Ob ich damit wohl glücklich werde? Wir werden sehen. Auf jeden Fall will ich wieder recht früh starten, um das Tageslicht sicher zu nutzen. Als ich an Deck gehe, stutze ich beim Rundumblick. Alle anderen Ankerlieger sind schon weg, ich bin der Letzte! Gehört habe ich nur die Motoryacht, die neben mir lag. Die anderen waren Segler, deren Motoren üblicherweise kaum zu hören sind.

Als ich am Nachmittag immer entlang der Küste von Crooked Island das Kap erreiche, muss ich einen Riesenbogen um das vorgelagerte Riff machen und dann nach Südsüdwest abbiegen. Und wieder erweist sich mein Langkieler als wenig amwindtauglich. Gegen den auf etwa Südost gedrehten Wind kann ich einen Kurs parallel zur Küste nicht halten, geschweige denn mich der Küste nähern. Irgendwann gebe ich auf, werfe die Maschine an und steuere den Ankerplatz vor Landrail Point Settlement und dem Marine Farm Salt Pond an. Dort angekommen, gefällt mir die Schaukelei bei dem vorherrschenden Schwell überhaupt nicht. Außerdem fällt der Grund recht steil ab. Ich müsste dicht unter Land ankern, was ein wenig gefährlich ist. Alternative für die Nacht? Also gut, die Lagune zwischen dem Leuchtturm Bird Rock und dem Airstrip, einem Flugplatz mit ein paar Häusern daneben. In dem großen Becken des Portland Harbour ist das Wasser recht tief und außerdem für meinen Geschmack zu schaukelig. Also laviere ich zwischen den Korallenköpfen zu einem Platz, an dem bereits ein wesentlich kleinerer Langkieler mit Ami-Flagge ankert. Ich geselle mich mit gebührendem Abstand dazu. Auf dem anderen Schiff zeigt sich ein junger Mann, auf die Entfernung geschätzt gerade mal etwa 20. Wir winken uns zu, machen aber keine Anstalten, uns zu besuchen. Es wird kühl am Abend, zu kühl, um noch ins Wasser zu springen. Essen kochen, Ende Gelände für heute.

Lady Slipper Cay nach Bird Island

Unsere Route von Lady Slipper Cay nach Bird Island

Flugplatz Crooked Island

Gebäude des Flugplatzes auf Crooked Island

Sonntag, 13. Februar 2022

Und wieder mache ich mich relativ früh auf den Weg, um bei Tageslicht mein Ziel Clarence Town auf Long Island zu erreichen. Diese Etappe ist etwa 38 Seemeilen lang. Vorteil dieser Tage: Es geht immer nach Nordwest, der Passat kommt immer raumschots aus Nordost oder Südost oder irgendwas dazwischen, ohne dass man sich groß Gedanken über die Windrichtung machen muss, nur über die Windstärke. Und da liegt jetzt der Hase im Pfeffer. Für Montagnachmittag ist eine Winddrehung vom vorherrschenden Südost auf Nordost mit 30 Knoten angesagt. Ich plane, heute Clarence Town zu erreichen, morgen Vormittag den Behördenkram des Einklarierens zu erledigen und dann um die Südspitze herum zu segeln, damit ich in Lee der Insel den Starkwind vor Anker abwettern kann. Soweit der Plan. 

Abschied von Crooked Island

Abschied von Crooked Island

Ich schlängele mich zwischen den Korallenköpfen hindurch Richtung Ausfahrt des Portland Harbour, des großen Beckens zwischen Leuchtturm, Riff und Flugplatz. Jenseits des Riffgatts rolle ich die Segel aus und - täglich grüßt das Murmeltier - nehme Kurs auf Richtung Nordwest. Die Überfahrt verläuft lässig und problemlos.

Als ich die Einfahrt von Clarence Town erreiche, steht schon eine kräftige Dünung als Vorbote des morgigen Starkwinds. Vor der Einfahrt zur Bucht von Clarence Town steigt der Meeresboden auf wenigen hundert Metern von 1.500 m auf gute 10 m an. Alles, was draußen als lange Dünung keine Probleme bereitet, steilt sich hier auf einer Untiefe östlich der Einfahrt zu beeindruckenden Brechern auf. Erst als ich "um die Ecke" im Wellenschatten des Riffs und der vorgelagerten Insel bin, legt sich die Welle. Immerhin findet man hier tatsächlich eine Einfahrtsbetonnung bestehend aus roter und grüner Boje und einer weiteren roten, um eine Untiefe neben der Einfahrt zur Flying Fish Marina zu markieren. Ich wähle einen Ankerplatz an der in der Seekarte mit "Clear Sand" markierten Stelle. In angemessener Entfernung von ca. 100 Metern liegt rechts von mir eine andere Yacht vor Anker, außerdem links eine andere und noch eine in einer schmalen Bucht zwischen den beiden größeren vorgelagerten Inseln. 

Bird Island nach Clarence Town

Unsere Route von Bird Island nach Clarence Town

Regenschauer

Ein Regenschauer raubt die Sicht

Kaum habe ich das Ankergeschirr sauber im Sandboden versenkt und den "Snubber", eine Leine mit Kettenhaken zum Abfedern der Zugkräfte, installiert, geht eine Regenschauer nieder. Die Sicht ist schlagartig weg, die Nachbaryacht in 100 Metern Entfernung nicht mehr zu sehen. Es schüttet wie aus Eimern. Nach einer Viertelstunde ist der Spuk vorbei.

Das inzwischen wieder sonnige Nachmittagswetter nutze ich, um den Wassermacher zu aktivieren. Weil ich keinen fest eingebauten habe, ist es jedesmal ein wenig Action, alles an Deck zu schleppen, Schläuche und Stromkabel anzuschließen und dann eine oder mehr Stunden laufen zu lassen, bis der Wassertank im Boot voll ist. Diesmal reicht eine Stunde.

Wassermacher

Doppelmembran des Rainman Wassermacher an Deck vor der Sprayhood

Danach mache ich das Beiboot klar und fahre schonmal zur Marina rüber, um mich dort umzusehen.

Der eine Steg mit den sechs Fingerstegen ist mittelmäßig belegt, vorwiegend mit Motoryachten zum Hochseeangeln. Davon sind hier zwei gleiche mit dem hoch aufragenden Ausguckgestell und riesigen Angelruten zu chartern. Die eine habe ich gestern während der Überfahrt zwischen den kleinen Inseln beobachtet. Die Männer zerlegen an einem großen Metalltisch mit Wasserhahn ihren heutigen Fang, ein blutiges Geschäft. Es gibt eine Marina-Rezeption, einen Ship Shop und Hotelzimmer. Allerdings sind Rezeption und Shop geschlossen. Ein Restaurant sucht man vergeblich.

In der näheren Umgebung gibt es keine weitere Bebauung. Die Ortschaft Clarence Town besteht laut Google Maps mehr oder weniger aus einer Straßenkreuzung mit einem Laden und einer Kirche. Die restlichen Häuser liegen weit verstreut in der leicht hügligen Landschaft. Dorthin ist es mir zu weit.

Da ich hier nichts weiter ausrichten kann, gehe ich zurück an Bord, koche ein Abendessen und lese was Nettes.

Flying Fish Marina

Flying Fish Marina in Clarence Town

Montag, 14. Februar 2022

Nach dem Frühstück mache ich das Schlauchboot klar und zuckele gemütlich in die Marina hinüber, um endlich einzuklarieren. Die Stege in der Marina erheben sich jetzt bei Niedrigwasser geschätzte zweieinhalb Meter über dem Wasserspiegel. Ich finde eine freie Stelle mit einer Leiter und mache das Dinghi an einem der senkrechten Pfähle fest, damit bei steigendem Wasserstand das Drahtseil mit dem Schloss einfach nach oben rutschen kann.

Beim Besuch in der Rezeption der Marina frage ich nach der Einklarierung. Ob ich in der Marina angelegt habe? Nein, ich ankere. Ach so. Den Officer für den Behördenkram wollen sie kontaktieren. Er wird wohl demnächst kommen. Ich möge doch draußen am Pool warten. Offenbar wird hier ambulant on demand einklariert, so wie auf Grand Turk. Die Beamten kommen zum Schiff, nicht umgekehrt.

Marinagebäude

Gebäude der Flying Fish Marina. Die Doppeltür rechts unten führt in die Rezeption und den Ship Shop. Im Obergeschoss gibt es Hotelzimmer. Der Pool ist verwaist - zu kaltes Wetter, zu kaltes Wasser.

Ich sehe mich ein bisschen in den Regalen des Shops um. Vielleicht kann ich ja irgendetwas gut gebrauchen, werde aber nicht fündig bzw. sehe wegen des Preisniveaus vom Shopping ab. Stattdessen mache ich es mir auf einer Bank vor der Tür bequem. Freies WLAN Fehlanzeige, das Marina-Netz ist verschlüsselt und nur für Liegeplatzinhaber, wie mir an der Rezeption mitgeteilt wird. Nach etwa einer Dreiviertelstunde öffnet eine Rezeptionistin die Ladentür. Die recht sportliche Frau berichtet, sie habe den Officer erreicht. Er kommt so bald wie möglich, es kann aber noch dauern, weil er noch auf einer Nachbarinsel tätig ist. Ich füge mich in das Schicksal und warte weiter.

Nach einer weiteren Stunde erklärt dieselbe Mitarbeiterin, dass der Officer unerwartet ein Kreuzfahrtschiff mit tausenden Passagieren abfertigen muss. Dieses Schiff ist erstmals auf den Bahamas. Dessen Crew ist dementsprechend unerfahren mit den Modalitäten, deshalb dauert es deutlich länger als erwartet. Die Rezeptionistin erzählt weiter, dass der Beamte danach mit dem Flugzeug auf diese Insel herüber kommt und dann vom Flugplatz ganz im Norden mit dem Auto mindestens eine Stunde bis hierher unterwegs sein wird. Ich müsse mich also auf eine längere Wartezeit einstellen. Na, das sind ja rosige Aussichten!

Pool der Marina und Liegeplätze

Pool der Marina mit Liegeplätzen und den Hochseeangelyachten. Auch einige Segler haben festgemacht.

Um mir die Langeweile zu vertreiben, schaue ich mich ein wenig um. Allerdings gibt es nicht allzu viel zu sehen. Die festgemachten Yachten sind durchweg größer als meine. Immerhin sind es nicht nur Amerikaner, sondern auch ein Niederländer ist dabei.

Inzwischen mache ich mir Sorgen wegen des vorhergesagten Starkwinds. Heute Nachmittag ab vier Uhr wird es wohl zu wehen beginnen. Wenn ich nach dem Einklarieren noch die 20 Seemeilen bis zur Südspitze der Insel schaffen will, brauche ich dafür mindestens vier Stunden. Wenn es ab sechs Uhr dunkel wird, muss ich also allerspätestens um zwei Uhr starten. Mittlerweile ist es schon zwölf. Ob das noch was wird?

Prompt erscheint die kernige, junge Rezeptionsdame und vertröstet mich weiter. Sie scheint tatsächlich so etwas wie ein wenig Mitleid aufzubringen. "Es dauert noch... Aber er ist unterwegs!"

Die weiteren Stunden verstreichen ungenutzt. Immerhin gibt es eine Toilette um die Ecke. Inzwischen habe ich mich von dem Gedanken verabschiedet, heute noch um die Südspitze segeln zu können. Ich überlege, wo in der Bucht ich am besten vor den prognostizierten 30 Knoten Wind und entsprechender Welle geschützt sein werde, kann aber erst an Bord auf die Seekarte schauen und Entscheidungen treffen.

Die Stunden fließen zäh dahin. Das Sitzfleisch fängt an zu schmerzen, aber in der Umgebung herumlaufen will ich auch nicht. Schließlich kann der Officer plötzlich kommen.

Dann endlich: Etwa um drei Uhr ist der Beamte eingetroffen, fertigt aber vor mir noch andere ab. Um kurz nach drei bin ich schließlich dran. Der Uniformierte wirft einen Blick auf meine Papiere, findet meine Anmeldung im Computer, Unterschrift, Stempel, fertig. Auf diese fünf Minuten habe ich schlappe fünf Stunden warten müssen. Mannomann!

Ich eile zum Schlauchboot, mache los und düse so zügig, wie der Elektro-Außenborder es schräg gegen den Wind zulässt, zurück zu Joli Ame. Der Himmel ist nach wie vor stark bewölkt, und es beginnt langsam, aber sicher zu wehen. Von den drei anderen Ankerliegern, die heute morgen in der Bucht lagen, ist nur noch einer da. Der stäbige Kutter, der in der kleinen Bucht zwischen den beiden vorgelagerten Inseln geankert hatte, ist auch weg. Das ist meiner Chance. Genau dort, glaube ich, bin ich zwar dem Wind mehr oder weniger stark ausgesetzt, aber das Riff zwischen den Inseln wird für glattes Wasser sorgen. Ich ankere um, genau dorthin. Ich suche den Platz für den Anker so aus, dass das Boot bei der vorhergesagten und inzwischen eingetretenen Windrichtung über der tiefsten Stelle der Bucht liegt, während der Anker voraus in etwas seichterem Wasser liegt. Ich beobachte eine Weile die Bewegungen des Bootes um die Ankerkette. Passt! Ich mache mir zwar etwas Sorgen, dass ich bei einer Winddrehung zu dicht in das Flachwasser geraten könnte. Aber nach Lee ist die Bucht offen, das heißt, ich komme bei dieser Windrichtung problemlos aus dem engen Schlauch heraus.

Der Abend vergeht unruhig, ich beobachte ständig die Bootsbewegungen, überprüfe die Wassertiefe und die Windanzeige. Ich stelle mir einen Wecker für die Nacht, um meine Situation zu kontrollieren. Glücklicherweise ist alles soweit in Ordnung. Der Anker hält, ich habe genug Sicherheitsreserve an Wasser unter dem Kiel.

Windanzeige

Windmesser zeigt 29,5 Knoten Windstärke (siehe Digitaldisplay unter dem Zeiger)

Dienstag, 15. Februar 2022

Der Tag beginnt, wie der gestrige geendet hat: 30 Knoten Windgeschwindigkeit, dichte Bewölkung, trübes Licht, Regenschauer mit waagerecht fliegenden Tropfen. Ich mache es mir an Bord gemütlich. Es ist immerhin warm dabei, T-Shirt und kurze Hose reichen.

Der Wetterbericht sagt, es bleibt so bis einschließlich Donnerstag. Ab Freitag wird der Wind abnehmen. Wenn ich am Freitag diese Bucht verlasse, genügt die Zeit, um in Tagesetappen und mit nächtlichem Ankern rechtzeitig in Nassau anzukommen und Götz an Bord zu nehmen. Lebensmittel habe ich bis Freitag reichlich. Ich kann also ganz entspannt abwarten, bis das Wetter sich bessert.

Das tue ich. Ich vertrödele den Tag mit kleinen Reparaturen, Essen machen, innen putzen, lesen. Windgeschwindigkeit, Wassertiefe und Schwoj-Radius kontrolliere ich regelmäßig, ebenso die Seitenpeilung, ob der Anker vielleicht ins Rutschen kommt. Aber nein, der hält bombenfest und rührt sich nicht. Das Hin- und Herpendeln vor Anker hält sich ziemlich in Grenzen. Einerseits wegen der hohen Windstärke, andererseits wird das Riff vor uns ständig von Wellen überspült. Das überkommende Wasser muss irgendwo hin, also nach hinten aus der schmalen Bucht hinaus. Dadurch haben wir kontinuierlich Strömung von vorn, was offenbar das Boot in einer Richtung hält. Wegen der kurzen Entfernung zum Riff kann sich auf der kleinen Strecke keine neue Welle aufbauen. Das Schiff liegt also ziemlich ruhig.

Blick über flaches Wasser

Wegen des kurzen Abstandes zum Riff bleibt das Wasser um mich herum ziemlich glatt.

Langsam aber sicher schwinden die Sorgen. Hauptsache, das Wetter verschlechtert sich nicht. Ich mache keinerlei Anstalten, von Bord zu gehen. Erstens bin ich bestens mit Allem versorgt, zweitens möchte ich nicht mit dem relativ schwachen Elektro-Außenborder gegen den starken Wind ankämpfen müssen. Der Hinweg auf die Hauptinsel wäre mit dem Wind im Rücken kein Problem. Aber komme ich auch wieder zurück? Ich lasse es nicht drauf ankommen. 

Ich könnte ja ein kurzes Stück gegen den Wind probieren. Aber dazu muss ich das Schlauchboot an Deck losbinden und wassern. Das wird mir dabei vermutlich um die Ohren fliegen. Außerdem: Seinerzeit in St. Vincent hatte der Außenborder wegen korrodierter Kontakte in den Steckverbindungen zwischen Ruderpinne mit Gashebel und dem Antriebsteil gezickt und ab und zu ausgesetzt. Wenn mir das jetzt und hier passiert, komme ich nicht zurück an Bord.

Oder mit dem Stand Up Paddling Board? Ach was, das geht nur bis zur kleinen Insel neben mir, und da ist effektiv überhaupt nichts los - außer Landschaft. Ach nee, ich lasse es lieber ganz gemütlich angehen. Es fehlt mir ja an nichts.

Rifföffnung mit Brandung

Rifföffnung mit Brandung. Mit jeder Welle schwappt Wasser über das Riff in meine kleine Bucht, das dann hinter uns wieder in die große Bucht abfließen muss

Mittwoch, 16. Februar 2022
und Donnerstag, 17. Februar 2022

Same procedure as yesterday, Miss Sophie. Das Wetter hat sich nicht geändert. Selbe Windrichtung und -stärke, nach wie vor um die 30 Knoten. Der Tag verläuft wie der vorige mit Abwarten und Tee trinken. Ab und zu auch mal einen Kaffee...

Strand mit SUP

Strand der kleinen Nachbarinsel mit SUP bei Niedrigwasser

Freitag, 18. Februar 2022

Wie vorhergesagt ist der Himmel heute morgen endlich wieder blau. Meine Stimmung hebt sich enorm. Bevor ich die mehr oder weniger gastliche Stätte verlasse, will ich mich aber noch ein bisschen umsehen. Ich binde das Paddel-Board los, packe Merles Digital-Spiegelreflex-Kamera mit dem langen Teleobjektiv in eine der beiden wasserdichten Taschen und paddele an den Strand. Es ist Niedrigwasser. Deshalb kommen keine Wellen über das Riff. Hier und da stehen Wasserlachen in den Vertiefungen.

Selfie vor dem Start

Selfie vor dem Start. Die Lesebrille für einstelligen Eurobetrag vom Discounter tut's auch...

Nach etwa zwei Stunden habe ich genug gesehen. Ich paddele zurück an Bord, verzurre das SUP auf dem Vordeck und verstaue die Kamera sicher. Unter und an Deck bereite ich alles für einen Seetag bei ordentlicher Dünung vor. Weil ich irgendwann einen Film aus all dem gesammelten Bildmaterial erstellen will, versuche ich mich mal als Selbstdarsteller. Das Handy im Gimble steht unter der Sprayhood auf der Cockpitbank und filmt die gesamte Ausfahrt aus der Bucht von Clarence Town. Den Ton nimmt nur das iPhone mit dem eingebauten Mikro auf. Mal sehen, was an Bild und Ton davon zu gebrauchen ist.

Rauschefahrt bei Traumbedingungen

Rauschefahrt bei Traumbedingungen. Die rote Windfahne hält Kurs.

Heute geht es - wie könnte es anders sein - wieder nach Nordwesten entlang der Insel Long Island. Mein Ziel für heute ist die Rundung des Cape Santa Maria an der Nordspitze der Insel. Bis dahin sind es ungefähr 45 Seemeilen. Bei dem frischen Wind aus querab bis raumschots wird es ein angenehmer Ritt.

In der Ausfahrt aus der Bucht von Clarence Town schaukelt es kurz recht kräftig, denn die Brandung donnert deutlich vernehmbar über das vorgelagerte Riff. Im weiteren Verlauf des Tages segelt es sich super bei sonnigem Wetter und frischem Wind - Traumbedingungen! Was ich auf der Atlantikquerung Ost nach West aus Sicherheitsgründen tunlichst vermieden habe, zelebriere ich heute ausgiebig. Auf dem Vordeck turne ich filmend und fotografierend herum, fühle mich dabei auch ohne Sicherheitsgurt sicher und genieße die schönen Bedingungen. Falls tatsächlich mal ein Film aus der Reise werden sollte, habe ich heute viel Material für Zwischenschnitte gesammelt, die das Boot und seine Details im Sonnenlicht zeigen.

Flaches Land. Hinter den Büschen liegt ein Salzsee.

Flaches Land. Hinter den Büschen liegt ein Salzsee und der obligatorische Flugplatz.

Am späten Nachmittag runde ich die Norspitze der Insel in großem Bogen, denn die vorgelagerten Riffe reichen weit hinaus. Während der Einfahrt Richtung Ankerplatz erreicht mich eine WhatsApp-Nachricht: Ein Mitmusiker der Band Jambo, in der ich mitwirken darf, verabschiedet sich in die nächste Lebenskrise und verlässt die Band. Das bedeutet, ich habe unter Umständen nach meiner Rückkehr ein großes Übepensum zu absolvieren, um ihn zu ersetzen - ob vorübergehend oder dauerhaft, wird sich noch zeigen.

viel Platz zum Ankern

Hier ist viel Platz zum Ankern

In der Calabash Bay ankern schon einige Yachten. Dazwischen ist aber reichlich Platz. Ich nehme eine Stelle mit einem, naja, winzigen Windschutz hinter einem Gebüsch. Ein heller Fleck im Wasser signalisiert Sandgrund. Aus Sicht des ankernden Yachties erfreulicherweise, gibt es hier keine Korallenstöcke, die man umkurven muss. Für die Bio-Diversität, also reiches Leben unter Wasser, eine karge Wüste. Das Bild des Strandes vor mir zeigt sich wie hier üblich: flaches Land mit niedrigem Bewuchs, darüber jede Menge Himmel. Richtige Bäume Fehlanzeige. Pünktlich kurz vor Sonnenuntergang ist der Anker eingegraben. Die Nacht kann kommen - es bleibt sehr ruhig.

Clarence Town nach Santa Maria

Unsere Route von Clarence Town nach Santa Maria, beides auf der Insel Long Island

Schönen guten Morgen

Schönen guten Morgen! Super Wetter, schwacher Wind, Sonne aus allen Löchern.

Samstag, 19. Februar 2022

Der neue Tag begrüßt mich mit traumhaftem Wetter. Mittlerweile gehen meine frischen Lebensmittel dem Ende zu. Deshalb will ich heute zur nächsten größeren Stadt, nach Georgetown. Größer ist relativ, denn die Bahamas sind recht dünn besiedelt. Tourismus ist Haupteinnahmequelle, Landwirtschaft wegen des kargen Sandbodens mehr oder weniger mühsam. 

Nach Georgetown zu gehen ist ein kleiner Umweg, aber dafür gibt es dort mindestens zwei einigermaßen gut sortierte Supermärkte. Die haben auch morgen, am Sonntag, geöffnet, wenn auch mit eingeschränkten Öffnungszeiten.

Ich gehe mal wieder bei leichtem Wind direkt unter Segeln ankerauf. Das übt für den Fall, dass die Maschine versagt, und ist aus meiner seglerischen Sicht eine spannende Aufgabe, um mit einfachsten Mitteln unterwegs zu sein - das liebe ich. Eine 14 Meter lange Yacht allein nur unter Segeln zu manövrieren ist nicht ohne. Platz gibt es hier reichlich. Einer amerikanischen Yacht neben mir komme ich zwar rechte nahe, aber es bleibt ungefährlich.

Anker auf unter Segeln

Anker auf nur unter Segeln allein auf einer 44-Fuß-Yacht - eine ambitionierte Aufgabe, bei diesen Bedingungen aber lässig.

Bei diesem strahlenden Wetter mit leichtem Wind wird klar, dass die Bahamas für die US-Amerikaner etwa das bedeuten, was für Mitteleuropäer das Mittelmeer darstellt. Von Florida aus sind es etwa 60 Seemeilen über den Golfstrom bis zu den ersten Inseln. Danach reihen sich die Eilande wie Perlen auf einer Schnur aneinander, die Etappen bis zum nächsten Ankerplatz sind kurz. Gleichwohl gibt es in den Sommermonaten die Gefahr von Hurricanes. 

Bei wenig Wind ziemlich genau von achtern mache ich nur ausgesprochen langsam Fahrt. Es ist schwül, warm und dunstig. Wäre ich nicht allein an Bord, wären die Bedingungen ideal für ein Bad mit langer Leine hinterm Heck. Das aber traue ich mir aus Sicherheitsgründen nun wirklich nicht zu.

Füße im Wasser

Füsse im Wasser, sitzend auf der Badeplattform

Ein bisschen Abkühlung gönne ich mir aber doch. Auf der Badeplattform am Heck sitzend, lasse ich die Füße im Wasser baumeln. Das erfrischt. Weit und breit ist kein anderes Boot zu sehen. Weil heute Samstag ist und daher Chartercrews zum Urlaubsende abreisen und neue kommen? Weit hinten an Backbord liegen von Riffen gesäumte Flachwasserbereiche, unter mir und an Steuerbord etwa eintausend Meter Wassertiefe.

Ankunft in Georgetown

Strand vor dem Ankerplatz etwas abseits von Georgetown

Am späten Nachmittag erreiche ich die Einfahrt in den schmalen Kanal mit der Zufahrt nach Georgetown. Prima geschützt vor Schwell aus allen Richtungen und dabei gut schiffbar auch für größere Segelschiffe ist dieser Platz ideal für einen Hafen. Obendrein gibt es zwei Einfahrten, eine nordwestlich der Stadt, die andere südöstlich. Bei Überfällen von Piraten oder anderen Gegnern besteht also meist ein Notausgang. Diese Lage macht es auch möglich, bei dem stetigen Passatwind aus immer derselben Richtung auf der einen Seite unter Segeln hinein und auf der anderen Seite wiederum unter Segeln hinaus zu kommen. Dementsprechend voll ist das Ankerfeld direkt gegenüber der Stadt. Ein Wald von Masten lässt mich einen Platz lieber etwas abseits vor einem netten Strand mit einzelnen Häusern wählen. Außerdem ist es nun wirklich spät geworden, es wird gleich dunkel.

Santa Maria nach Georgetown

Unsere Route von Santa Maria nach Georgetown

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