Sonniges Wetter via Lissabon

Endlich mal sonnen auf dem Vordeck

Mittwoch, 27. Oktober 2021

Auf geht's nach Lissabon. Das Wetter bietet Sonne und Wärme, nix Mützenwetter. Die See ist glatt wie ein Ententeich, der Wind schwächelt: Maschine an! Die Damen räkeln sich auf dem Vordeck im tanning mode.

Überholt: Tangaroa

Wir überholen Tangaroa

Am Nachmittag kommt vor uns eine Segelyacht in Sicht. Wir holen langsam auf, kommen immer näher. Das ist Tangaroa! Dass wir schneller sind, ist keine Kunst: Die haben 36 Fuß Länge, wir 44. Bei Verdrängerbooten, und beide sind welche, gilt: Länge läuft. Das ist Physik und bedeutet, dass ein Boot nur mit Mühe bzw. viel Power über seine eigene Bugwelle klettern kann. Wenn es das geschafft hat, beginnt der Gleitzustand. Den erreichen solche Fahrtenboote nicht, unter Maschine ist schneller fahren als Rumpfgeschwindigkeit höchst unwirtschaftlich. Es wird mehr Sprit verballert, ohne dass die Geschwindigkeit zunimmt. Das Boot fährt die ganze Zeit "bergauf".  Aber die Rumpfgeschwindigkeit steigt mit der Bootslänge. Wie gesagt, keine Kunst, dass wir Tangaroa "abkochen". Sie fotografieren uns, wir fotografieren sie, und nach einer halben Stunde ist das Burgwedeler Stelldichein auf dem Atlantik vor Portugal beendet und Tangaroa außer Sicht.

Donnerstag, 28. Oktober 2021

Die Nacht vergeht mit Wachwechseln zwischen Merle und mir wie üblich, Solveig liegt in der Eignerkabine und schläft seelig, weil schön in den Schlag geschaukelt. Am Morgen biegen wir um das Kap in die Bucht von Lissabon ein. Per UKW-Seefunk Kanal 9 fragen wir in der Marina von Cascais nach einem Liegeplatz: "Sorry Sir, we are completely full and don't have a berth for your boat size!". Äh? Mist! Hätten wir reservieren sollen? Nun ja, es ist Hochsaison, die Yachten, die an der Atlantic Rally for Cruiser, kurz ARC, teilnehmen wollen, nehmen Kurs auf den Starthafen Las Palmas de Gran Canaria. Alle anderen drängen nach, denn es ist die beste Zeit zur Vorbereitung der Atlantiküberquerung. Sprich: Alle, die in dieser Saison in die Karibik wollen, sind jetzt hier.

Wir hatten uns auf das touristisch hübsche Cascais gefreut. Und bis Lissabon fährt man 20 Minuten mit der Bahn. Seifenblase geplatzt. Okay, nehmen wir den nächsten Hafen: Oeiras. "Sorry Sir, we are completely full and don't have a berth for your boat size!". Das gibt's doch gar nicht! Und jetzt? Bleibt nur noch Lissabon selbst.

Brücke über den Tejo

Brücke über den Tejo

Die Häfen auf der Nordseite liegen hintereinander wie Perlen auf der Schnur. Wirklich geeignet sind aber kaum welche davon, entweder zu klein oder gesperrt nur für Fischer. Schließlich müssen wir uns für den Stadthafen gleich hinter dem Kai für die Frachtschiffe entscheiden. Vorher geht es aber entlang der Wasserfront mit all ihren Sehenswürdigkeiten. Da ist der Wehrturm, der als Doppel früher auch auf der anderen Seite stand. Er mutet an wie ein Wasserschloss. Da ist ein riesiges Denkmal für die mutigen Seefahrer, die Lissabon und Portugal reich gemacht haben. Es gibt ein Museum für Meereskunde, dann kommt die große Hängebrücke über den Fluss Tejo. Wenn man nicht genau wüsste, hier ist Lissabon, könnte man sie für die Golden Gate Bridge in San Francisco halten.

Wehrturm am Tejo

Barock anmutender Wehrturm am Ufer des Tejo: der Torre de Belém

Es geht am Container-Verladekai vorbei, einmal um die Ecke 180 Grad und hinein in das Hafenbecken. Doch halt, eine Drehbrücke ist noch geschlossen. Auf der anderen Seite wartet bereits eine Motoryacht auf die Brückenöffnung. Nach etwa fünf Minuten, klingeling, öffnet die Brücke und wir laufen in den Yachthafen ein. Auch der ist knallvoll. Die Suche nach einem freien Liegeplatz wird abgekürzt durch zwei gestikulierende Männer vor der Hafenmeisterei, die in Richtung des Schwimmsteges zeigen, an dem eine Reihe großer Katamarane liegt. Tatsächlich ist dort eine Lücke frei, die zum längsseits Liegen vorn und hinten gefühlt einen Meter Platz lässt. Die beiden Herren weisen ein und nehmen die Leinen an. So einzuparken ist ein kleines Kunststück, aber der Wind hilft und schiebt uns sanft in die Lücke. Nur wie wir bei gleichem Wind da wieder rauskommen sollen, ist mir schleierhaft. Naja, vielleicht weht der Wind dann aus einer anderen Richtung oder ganz schwach.

Während des Check in beim Hafenmeister erklärt dieser, wir könnten nur einen Tag auf diesem Liegeplatz bleiben, weil das Boot zurückkommen könnte, das dort normalerweise liegt, jetzt aber unterwegs ist. Er gibt mir eine andere Liegeplatznummer, dort sei es ein wenig eng, aber immerhin über Tage hinweg sicher frei.

Beim Blick durch den Hafen fällt eine deutsche Yacht auf, eine Ketsch: Das ist Civetta! Und ja, da kommt Christopher von der Dusche zurück. Wir begrüßen einander und halten einen längeren Schwatz.

An dem Katamaransteg gibt es wie in A Coruña nur die etwas größeren Steckdosen in der Stromsäule, die für 32 Ampere gedacht sind. In A Coruña hatte ich mir einen Adapter vom Hafenmeister gegen 50 Euro Pfand leihen können. Hier bietet der Hafenmeister so einen Service nicht, verweist mich aber an einen Yachtservice-Mann, der seinen Shop gleich gegenüber hat. Der verkauft mir den größeren Stecker und die kleinere Buchse für je acht Euro. Den Adapter bastele ich mir damit selbst, bin ja schließlich in einem Elektrofachbetrieb aufgewachsen. Nach einer halben Stunde läuft der Strom. Endlich können wir zu einer ersten Stadterkundung aufbrechen. Die Damen drängeln schon, denn inzwischen ist schon Nachmittag.

Paradeplatz im Zentrum von Lissabon

Zentraler Platz im Zentrum, hinter uns das Flussufer

Es geht immer am Wasser entlang Richtung Zentrum. Der Fußweg dauert keine halbe Stunde, führt am Bahnhof und an der früheren Markthalle vorbei. Einige Prachtbauten liegen an der Uferpromenade. Durch das Tor auf dem Bild links schlendern wir in die City mit ihren Einkaufsstraßen. Die Läden mit den großen Modemarken reihen sich aneinander - nicht so unser Ding. 

Fahrstuhl zwischen City und Oberstadt

Historischer Fahrstuhl im Stil des Eiffelturms

Solveig möchte unbedingt zu dem historischen Fahrstuhl, der die City mit dem oberen Stadtteil verbindet. Da ist er, eine Stahlkonstruktion im Stil des Eiffelturms, hübsch verziert und imposant anzuschauen. Der Lift ist zwar in Betrieb, aber die Warteschlange davor lässt uns den Aufstieg in die Oberstadt lieber zu Fuß erledigen. Oben angekommen, gibt es von einer Kirche, die durch ein Erdbeben zerstört worden war, und dem oberen Ende des Fahrstuhls einen fantastischen Panoramablick über die Stadt.

Essen im geographischen Restaurant

Lecker speisen im geographischen Restaurant

Inzwischen ist es stockdunkel und der Hunger nagt. Die Suche nach einem geeigneten Restaurant gerät wieder zu einer never ending story. Bewertungen bei Google Maps einsehen, hingehen, feststellen, nö, doch nicht unser Geschmack, wieder Bewertungen usw. Auf diese Weise suchen wir uns mitten durch die Altstadt mit ihren Musikkneipen, in denen der berühmte Fado gesungen und gespielt wird. Dieser Musikstil ist von Melancholie und "Saudade" = Sehnsucht geprägt. Immer noch nicht das richtige dabei, mir hängt der Magen in den Kniekehlen. Aber ich bin ja nur der Kapitän, für das touristische Programm sind die Damen zuständig.

Es geht immer weiter Richtung Hafen, bis wir schließlich in einem Restaurant namens Geographia landen. Die Speisekarte weist für eine Reihe portugisischsprachiger Länder, meist Ex-Kolonien, je ein typisches Gericht auf. Wir entscheiden uns für Angola. Lecker! Als Vorspeise gibt es frittierte Süßkartoffelchips in einer Emaille-Tasse. Unsere Bedienung ist charmant unbeholfen, sie hat heute ihren ersten Tag. Der Chef nimmt sie ab und zu zur Seite und erklärt, wie es richtig gemacht wird. Wir haben größtes Verständnis.

Die Reststrecke zur Yachthafen ist kalt und windig, die Füße sind platt, der Tag war lang. Ende, und ab in die Koje.

Alternativ-Viertel

Ladenzeile im alternativen Stadtteil LxFactory auf ehemaligem Straßenbahndepot. Oben sieht man die Auffahrt zur Brücke über den Tejo.

Freitag, 29. Oktober 2021

Zuerst parken wir um auf den anderen Liegeplatz. Glücklicherweise weht kein Lüftchen, sodass wir lässig aus der engen Längsseitslücke herauskommen - puh, was für ein Glück. Der neue Liegeplatz hat die kleineren Stromstecker. Wenn wir gleich dort festgemacht hätten, hätte ich den Adapter nicht zu bauen brauchen. Hätte, hätte, Fahrradkette, also egal.

Einen Segelmacher gibt es an der Wasserfront. Ein Anruf ergibt: Es ist Freitag, am Montag ist Allerheiligen, also Feiertag. Die Reparatur des kleinen Vorsegels, das wir am Ende der Biskaya-Querung wegen des gerissenen Segelkopfes auswechseln mussten könnte also erst Dienstag beginnen. Okay, dann eben nicht.

Heute richten wir unsere Schritte Richtung Westen, zum Stadtteil Belem. Zuerst besichtigen wir ein alternatives Ladenprojekt auf dem ehemaligen Gelände des Straßenbahndepots fast direkt unter der Tejo-Brücke: die LxFactory. In den alten Werksgebäuden sind sehr kreativ Läden, Restaurants und Bars entstanden, vermutlich aus einer Hausbesetzerszene heraus. Vieles ist aus Improvisiertem zum Dauerzustand geworden. Die Atmosphäre fasziniert uns, wir bleiben länger als gedacht und essen schließlich dort zu Mittag.

Konditorei der berühmten Pasteis

Konditorei der berühmten Pasteis de Belem

Weiter geht es zu der berühmten Konditorei, die die legendären Pasteis de Nata herstellt. Das Rezept wurde im Kloster nebenan streng geheim gehalten, bis das Kloster 1834 geschlossen wurde und das Rezept an eine Zuckerraffinerie verkauft wurde. Seit 1837 stellt die Pasteleria Casa Pasteis de Belém die Süßspeise her. Vor der Konditorei steht eine Schlange auf der Straße. Die ist uns zu lang, und wir wenden uns erst einmal dem westlich daneben liegenden Kloster zu.

Kloster Belem

Mosteiro dos Jerónimos = Hieronymus-Kloster zu Belém. In dessen Kirche liegen die Gebeine verschiedener Könige und Fürsten. Wir sind aber am meisten am Sarg von Vasco da Gama interessiert. Der hat den Seeweg um das Kap der Guten Hoffnung in den Indischen Ozean gefunden und damit dem Gewürzhandel mit Ostasien den Weg gebahnt.

Sarkophag von Vasco da Gama

Sarg des großen Seefahrers Vasco da Gama

Konditorei Pasteis de Belem

Konditorei der berühmten Pasteis de Belem

Pasteis, zweiter Versuch. Wir reihen uns beinahe in die falsche Warteschlange ein, die ist länger, führt aber zur Toilette. Wegen Corona darf nur eine bestimmte Zahl von Kunden im Verkaufsraum stehen, der Zugang wird von einem jungen Mann geregelt. Alles läuft streng strukturiert ab. Nach zwei Minuten drinnen halten wir die Packung unseres Begehrens in Händen und sind gespannt, was denn nun hinter dem Geheimrezept steckt.

Pasteis ausgepackt

So sieht der Inhalt der Packung aus (6 Stück)

Pasteis auf der Bank

Wir begeben uns im Park zwischen Kloster und Uferpromenade auf eine Bank und packen aus.

Es handelt sich um einen weichen Blätterteig als Grundlage mit einer Creme-Füllung, caramelisiert überbacken und mit Zimt oder Puderzucker bestreut. Sie schmecken wundervoll, aber nur dafür aus Paris herzufliegen, wie eine Rezensorin im Internet schwärmt, würden wir definitiv nicht. Zu großer ökologischer Fußabdruck...

Kloster Belem vom Ufer aus

Kloster Belem vom der Uferpromenade aus gesehen



Auf dem Rückweg zur Marina entlang der repräsentativen Uferpromenade beginnt es zu regnen, der Regen geht in Schütten über. Wir werden patschnass und haben für den Rest des Tages keinen Wunsch mehr. 

Wehrturm vom Ufer aus

Wehrturm am Tejo, der Torre de Belem, diesmal von der Uferpromenade aus gesehen.



Samstag, 30. Oktober 2021

Merle geht joggen, Solveig und ich duschen in den Waschräumen des Yachthafens - nicht besonders gepflegt, etwas abgewrackt, aber wir sind von Campingplätzen abgehärtet, was Sanitärräume anbelangt. Weil es in Strömen regnet, vergammeln wir einfach den Tag an Bord und ruhen uns aus - darf ja auch mal sein.

Halt, einen Orga-Gang haben wir erledigt: 

Solveig recherchiert Flüge und hat sich entschlossen, nicht von Lissabon, sondern von Faro aus heimzufliegen. Von dort sind die Flüge günstiger und zahlreicher. Die Algarve ist eben ein beliebtes Herbst/Winter-Urlaubsgebiet.

Inzwischen hat es aufgehört zu regnen. Allmählich sind auch unsere Klamotten wieder einigermaßen getrocknet, nur die Jeans unterhalb des Knies sind durch den Dochteffekt noch pitschnass. Wir schlendern Richtung "nach Hause", weil es in der Markthalle unmöglich war, einen Platz zu bekommen. Wir kommen dann doch noch an einem mexikanischen Restaurant vorbei. Alles besetzt, sagt der Manager am Eingang, während er im Multitasking die Motorrollerfahrer eines Bringdienstes mit Bestellungen versorgt. Aber wir könnten warten, gleich wird etwas frei. Wenige Minuten später sitzen wir. Die Burritos funktionieren nach einem Baukastensystem: Man wählt Füllung, Sauce sowie diese und jene Zutat im Schnelldurchgang aus, wobei mir der Kopf schwirrt von all den "Fachbegriffen", unter denen ich mir wenig vorstellen kann, die aber entschieden werden sollen. Merle ist da routinierter und hilft mir: "Ist doch ganz einfach!"

Auf dem Heimweg nehmen wir noch eine Kurve über den Supermarkt in der Nähe und kaufen für die nächsten Tage ordentlich ein. Wer weiß, wann wir wieder so nah einen so gut sortierten Laden finden werden. Schwer bepackt mit Rucksack und Taschen geht es zurück an Bord.

Der Skipper
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